Agrarverfassung

Agrarverfassung
Agrarverfassung,
 
»Gesamtheit der sozialen Beziehungen der ländlichen Menschen zueinander, die ihrerseits wieder durch das Verhältnis zum Boden bestimmt werden« (C. von Dietze). Die Agrarverfassung ist Bestandteil der rechtlichen und sozialen Ordnung einer Gesellschaft. Ihre Hauptbestandteile sind die Grundbesitz- und die Arbeitsverfassung.
 
Bei der Grundbesitzverfassung unterscheidet man: 1) Staatseigentum, das sich auf ein Obereigentum am Boden oder auf das unmittelbare Eigentum erstrecken kann; 2) Stiftungseigentum, das im islamischen Bodenrecht verbreitet ist und in Europa früher in der Form der Fideikommisse auftrat; 3) Kollektiv- und Gemeineigentum, das in Form von Stammes- oder Sippeneigentum auftritt oder in Form von genossenschatlichem Eigentum; 4) Individualeigentum, das als Kleineigentum oder als Großgrundeigentum (mit dezentraler Verwaltung, d. h. Bewirtschaftung durch Pächter, oder mit zentraler Verwaltung, d. h. Bewirtschaftung durch Lohnarbeiter) auftreten kann. Bei der Arbeitsverfassung wird zwischen Familien- und Fremdarbeitsverfassung unterschieden.
 
Die auf das übergeordnete Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ausgerichtete Ausprägung der Agrarverfassung wird auch als Agrarsystem bezeichnet. Man unterscheidet folgende Agrarsysteme: 1) Stammes- und Sippenlandwirtschaft, die in der Form der Wanderviehhaltung oder des Wanderfeldbaus v. a. in Afrika noch weit verbreitet ist; 2) feudalistische Landwirtschaft, die in der Form des Rentenfeudalismus (dezentral verwaltetes Großgrundeigentum oder Steuerpacht) starke Ähnlichkeit mit der früher in Europa verbreiteten Grundherrschaft aufweist oder in der Form der Latifundienwirtschaft (zentral verwaltetes extensiv bewirtschaftetes Großgrundeigentum) auftritt; 3) Familienlandwirtschaft; 4) kapitalistische Landwirtschaft (zentral verwaltetes, intensiv bewirtschaftetes Großgrundeigentum); 5) kollektive Landwirtschaft.
 
 
W. Conze: A. in: Hwb. der Sozialwissenschaften, 1 (1952);
 C. v. Dietze: A. in: Staatslex., Bd. 1 (61957);
 F. Lütge: Gesch. der dt. A. vom frühen MA. bis zum 19. Jh. (21966);
 B. Andreae: Agrarsysteme, in: Hwb. der Wirtschaftswissenschaften (1977);
 F. Kuhnen: A. in: Hb. der Landwirtschaft u. Ernährung in den Entwicklungsländern, hg. v. P. von Blanckenburg u. a., Bd. 1 (21982).

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Agrar|ver|fas|sung, die: Summe der rechtlichen, ökonomischen u. sozialen Grundgegebenheiten der Landwirtschaft während einer bestimmten Epoche.

Universal-Lexikon. 2012.

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